BUND-Kreisgruppe Wesel

Abschuss von Wölfin Gloria nicht zielführend

21. November 2023

BUND fordert Herdenschutzoffensive statt Aktionismus. Abschuss von Wölfen nur als letztes Mittel der Wahl.

Eine Wölfin aus dem Wolfsrudel von Schneverdingen/Niedersachsen hat sich bei Schermbeck niedergelassen. Wolf (Canis lupus)  (WikiImages/ Pixabay)

  • Landesweite Herdenschutzoffensive zur Vermeidung von Nutztierrissen erforderlich
  • Rechtliche Grundlagen für Abschuss derzeit nicht gegeben
  • Umstände neuer Nutztierrisse durch die Wölfin „Gloria“ bislang nebulös

Am 16. November 2023 gab ein Sprecher des Landesumweltministeriums in Düsseldorf vor dem Hintergrund neuer Nutztierrisse der Wölfin GW954f „Gloria“ bekannt, zusammen mit dem zuständigen Kreis Wesel die „Grundlagen für die Prüfung einer Entnahme des Wolfes“ erarbeitet zu haben.

Holger Sticht, Vorsitzender des BUND NRW: „Die Diskussion um die Wölfin Gloria ist vor Gericht bereits ausführlich geklärt worden. Um Konflikte zwischen Tierhaltern und dem heimischen Wolfsrudel zu lösen, brauchen wir jetzt keinen Aktionismus und kein Bauernopfer, sondern nachhaltige Lösungen. Die Koexistenz von Weidetierhaltung und Wolf ist möglich, wenn wir endlich einen landesweiten, flächendeckenden und effektiven Herdenschutz etablieren.“

Aus BUND-Sicht sind im Übrigen die rechtlichen Grundlagen für eine Tötung der Wölfin nicht gegeben. So ist das Tier eines von derzeit lediglich zwei bis drei reproduzierenden Wölfinnen in NRW, sodass ein Ausfall die gesamte Population gefährden könnte. Zudem fehlt bislang eine vorgeschriebene Alternativenprüfung.

Im Zeitraum vom 27. September bis 24. Oktober 2023 konnte Gloria sechsmal bei Nutztierschäden nachgewiesen werden. Alle Fälle ereigneten sich nördlich der Lippe im Bereich des Dämmerwalds. Dieses Gebiet hat die Wölfin neu besiedelt, nachdem sie ihr Rudel aus unbekannten Gründen verlassen zu haben scheint. In diesem neuen Gebiet soll sie nun nach Angabe des Umweltministeriums in nur 4 Wochen so viel Schaden angerichtet haben, dass zukünftig ein „ernster wirtschaftlicher Schaden“ zu erwarten und damit eine der Voraussetzungen für eine Abschussgenehmigung gegeben wäre. Fakt ist aber, dass diese Wölfin seit ihrer Ankunft im Schermbecker Gebiet im Jahre 2018 nur in 6 % aller Fälle Zäune mit empfohlenem Herdenschutz überwunden hat und dies im Jahr 2021 das letzte Mal vorgekommen ist. Nun, in der erweiterten, neu ausgerufenen „Förderkulisse Westmünsterland“, soll sie direkt sechsmal den empfohlenen Herdenschutz in kurzem zeitlichen Zusammenhang überwunden haben, ansonsten könnte das Ministerium die Prüfung zur Entnahme gar nicht einleiten. „Das mag den einen oder anderen schon stutzig machen. Daher fordern wir eine transparente Darlegung der Umstände durch das zuständige Landesamt“, fordert Holger Sticht.

Aus Sicht des BUND muss die Vermeidung von Nutztierrissen an der Ursache ansetzen. „Für die Zahl der Nutztierrisse ist allein die Qualität des Herdenschutzes entscheidend. Wenn jährlich 50 - 70 Prozent der Nutztierrisse an unzureichend oder gar nicht geschützten Weidetieren erfolgen, dann sind die Mängel im Herdenschutz überdeutlich. Die Tierhalter und wir als Gesellschaft müssen zusammenarbeiten, um eine Koexistenz mit dem Wolf möglich zu machen“, mahnt Holger Sticht.

In einer Gemeinsamen Pressemitteilung BUND | LNU | NABU NRW | vom 21. November erwarten die Natur- und Umweltschutzverbände eindeutige Beweise für Überwindung des empfohlenen Herdenschutzes im Fall von GW 954f und fordern, die Abschusspläne nicht weiter voranzutreiben. Von flächendeckenden und funktionstüchtigen Herdenschutz ist man in den NRW-Wolfsgebieten und gerade auch im Raum Schermbeck weit entfernt. Dies ist aber Voraussetzung, um überhaupt einen Abschuss in Erwägung ziehen zu können.

Die Existenz des bisher einzigen rein nordrhein-westfälischen Rudels durch die jetzt geplante Tötung der reproduzierenden Fähe bewusst aufs Spiel zu setzen, ist aus Sicht der Verbände nicht mit EU-Recht vereinbar.Zudem suggeriert ein Abschuss eine Lösung, die nicht von Dauer sein wird. Einmal besetzte Wolfsreviere werden von anderen Wölfen wieder besetzt werden. Auch diese werden bei unzureichendem Herdenschutz ebenfalls lernen, Weidetiere als Beute zu sehen.

 

Hintergrund:

  • Stellungnahme der NRW-Naturschutzverbände im Rahmen der Verbändeanhörung zur Verwaltungsvorschrift "Hinweise zur Anwendung der Ausnahmeregelung des § 45 Abs.7 Nr. 1 BNatSchG auf Wölfe in NRW"
  • Bundesamt für Naturschutz: Häufig gestellte Fragen zum Wolf: Warum greifen Wölfe Nutztiere an?
    „Es ist wichtig, Herdenschutzmaßnahmen schon vor eventuellen Wolf-Nutztier-Begegnungen umzusetzen, das heißt auch in Gebieten, in denen Wölfe zwar zu erwarten sind, derzeit aber noch nicht auftreten. Ein solcher präventiver Herdenschutz ist entscheidend, um so eine mögliche Konditionierung zu verhindern, das heißt, dass sich Wölfe an das Reißen von schlecht geschützten oder ungeschützten Weidetieren als leichte Beute gewöhnen.“ https://www.bfn.de/haeufig-gefragt-wolf#anchor-8717
  • „Einige Bundesländer geben auf ihren Internetseiten Informationen zu den wolfsverursachten Nutztierübergriffen, die auch Angaben zum Herdenschutz enthalten. Diesen lässt sich entnehmen, dass auch 2022 in knapp der Hälfte bis drei Viertel der Übergriffe auf Schafe und Ziegen kein bzw. nur ein eingeschränkter Mindestschutz vorhanden war (LAU 2023; LfU 2023; Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz 2023; Wolf-MV 2023).“
    DBBW 2023: Bericht zu Schäden und Prävention: https://www.dbb-wolf.de/mehr/literatur-download/berichte-zu-praevention-und-nutztierschaeden
  • Verbreitung des Wolfs in NRW

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