eine baumbestandene Wiese, im Vordergrund sind drei alte und teilweise verwitterte Grabsteine zu sehen, dahinter sind zwei weitere Grabsteine zu sehen

Friedhöfe sind nicht nur Ort der Trauer, sondern auch Begegnungsstätte, Raum für Erinnerungen und Dokument unserer Kultur. Aber nicht nur für uns Menschen sind sie von Bedeutung, denn Pflanzen und Tiere finden hier einen wertvollen Lebensraum. Als grüne Oasen inmitten der Stadt sind Friedhöfe Inseln der Biodiversität. Dichte Hecken, Altbäume, Beete und Grabflächen bilden ein kleinräumig vernetztes Mosaik. Die Artenvielfalt auf Friedhöfen ist uns meist nicht bewusst. Wir  nehmen zwar uns bekannte Vogelarten wie Amseln, Sperlinge oder Rotkehlchen wahr – die Vielfalt der Insekten bleibt uns dagegen meist verborgen. Doch in Zeiten des Insektensterbens werden Friedhöfe immer wichtiger für Schmetterlinge, Schwebfliegen, Ameisen,  Wildbienen und Co.

Bei der Grabgestaltung kommen jedoch sehr häufig hybride Zierpflanzen ohne Pollen und Nektar zum Einsatz ( hybrid = durch Kreuzung von Eltern verschiedener Arten entstanden). Diese oft pestizidhaltigen Pflanzenzüchtungen, die man beispielsweise in Gärtnereien oder Baumärkten erwerben kann, besitzen zwar meist große, dekorative Blüten. Den heimischen Insekten bieten sie aber kaum Nahrung und dienen somit ausschließlich zur Zierde.

Eine naturnahe Grabgestaltung kann aus einer Bepflanzung mit einzelnen Gehölzen und Sträuchern oder auch aus flächendeckenden Stauden und Bodendeckern bestehen, die Lebensraum für Insekten, Vögel und Kleintiere bieten.

Durch die Pflanzenauswahl aus hauptsächlich heimischen und standortgerechten Pflanzen können Gräber insektenfreundlich, nachhaltig und genauso ansprechend gestaltet werden. Pflegeleichte mehrjährige Stauden und Zwiebelgewächse sind dabei gute Alternativen zu saisonal wechselnder Bepflanzung. Pflanzen mit einer langen und zeitlich unterschiedlichen Blühdauer lassen das Grab über viele Wochen und Monate ansehnlich aussehen und liefern gleichzeitig Nahrung für Insekten.

Das Projekt Blüten-Gräber

Davon ausgehend haben die BUND-Ortsgruppe und der VHS-Biogarten Moers mit der Abteilung Grünflächen und Friedhöfe der ENNI Kontakt aufgenommen, die gegenüber unserer Idee einer ökologisch wertvollen Grabbepflanzung sehr aufgeschlossen waren. Schnell wurden wir uns einig, dass der Friedhof Klever Straße sich gut für ein erstes Projekt eignet, da er innenstadtnah und auch mit dem ÖPNV sehr gut erreichbar ist. Zudem gibt es hier einen nicht mehr genutzten Randbereich mit erhaltenswerten Grabsteinen nahe des Haupteingangs.

Der Plan ist, zwei Einzelgräber und ein Doppelgrab als Biodiversitäts-Gräber anzulegen. Die Gräber befinden sich im halbschattigen Bereich des Friedhofs mit Sonneneinstrahlung am Vormittag bis um die Mittagszeit und teilweiser Abendsonne.

Von der ENNI werden Vorarbeiten wie Entfernung der Grasnarbe und Auskofferung, ggf. mit Wurzelentfernung geleistet. Nutzbare Erde und altes vorhandenes Natursteinmaterial für die Einfassungen ist ebenfalls vor Ort vorhanden und wird von der ENNI kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Die VHS Biogartengruppe, die BUND-Ortsgruppe sowie interessierte Imker*innen übernehmen die Beschaffung der Pflanzen, die Pflanzaktion selbst sowie die regelmäßige Pflege. Einen Teil der Pflanzen konnten wir aus dem Fundus der eigenen Gärten und über die Biogarten-Pflanzentauschbörse sammeln, einen weiteren Teil haben wir bei der Staudengärtnerei Diamant in Duisburg Rumeln-Kaldenhausen gefunden (eine wahre Fundgrube auch für besondere Stauden).

Wir beginnen im Mai 2024 sukzessive mit den Pflanzarbeiten. Für die Frühblüher ist es in diesem Jahr bereits zu spät, und auch die Sommerblüher sind teilweise bereits zu weit im Wachstum, um sie jetzt noch zu verpflanzen. Daher werden ersatzweise auch Blühmischungen und Ringelblumensaat ausgebracht, damit keine Flächen ohne Bedeckung bleiben.

Für die Beetkonzepte nutzen wir die "Ideen und Anregungen für eine wildbienenfreundliche Grabgestaltung" des BUND Niedersachsen, die wir für unsere Bedürfnisse etwas abwandeln. Konkret haben wir uns für die Beetkonzepte "Heilpflanzen", "Waldfrieden" und "Kreislauf des Lebens" entschieden.

Heilpflanzen

Auf der Grafik ist in der Mitte ein schematischer Pflanzplan dargestellt, links und rechts daneben sind kleine Bilder einiger Pflanzen abgebildet: Eisenhut, Wilde Möhre, Gänsefingerkraut, Kriechender Beinwell und Johanniskraut Musterbepflanzung "Heilpflanzen"

Für das Beetkonzept werden Wildstauden verwendet, die besonders häufig in der Heilkräuterkunde Verwendung finden. Ausgewählt wurden Pflanzen, die im Halbschatten wachsen:

Gemeiner Beinwell (Symphytum officinale), Gänse-Fingerkraut (Potentilla anserina), Wilde Möhre (Daucus carrota), Blauer Eisenhut (Aconitum napellus), Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium), Ruhr-Flohkraut (Pulicaria dysenterica), Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum), Heilziest (Stachys officinalis)

Waldfrieden

Schematische Darstellunge des Pflanzplans. Links und rechts sind einige der Pflanzen in kleinen Fotos aufgeführt: Echter Baldrian, Wald-Storchschnabel, Wald-Erdbeere, Blutweiderich und Berg-Flockenblume Musterbepflanzung "Waldfrieden"

Die Zusammensetzung der Pflanzen erinnert an einen Waldrand. Im Vordergrund finden sich niedrige Arten wie die Wald-Erdbeere und die Gefleckte Taubnessel, im hinteren Bereich wachsen Blutweiderich und Baldrian in die Höhe. Bei den Pflanzenarten handelt es sich größtenteils um krautige Waldarten, daher bietet sich dieses Pflanzkonzept für Gräber an, die im schattig-feuchten Bereich eines Friedhofes liegen:

Wald-Storchschnabel (Geranium sylvaticum), Wald-Erdbeere (Fragaria vesca), Echter Baldrian (Valeriana officinalis), Gewöhnlicher Blutweiderich (Lythrum salicaria), Berg-Flockenblume (Centaurea montana), Wald-Ziest (Stachys sylvatica), Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum)

Kreislauf des Lebens

Darstellung eines schematischen Pflanzplans zum Thema Kreislauf des Lebens. Links und rechts sind Bilder von einigen der verwendeten Pflanzen zu sehen: Glockenblume,Wiesen-Margerite, Kriechender Günsel, Musterbepflanzung "Kreislauf des Lebens"

Das Konzept setzt sich mit der Symbolik des jahreszeitlichen Kreislaufes und dem Lebenskreislauf auseinander. Auf dem Grabfeld befindet sich ein großer Kreis, der in vier Viertel untergliedert ist. Jeweils ein Feld steht für Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter. Entsprechend werden die Pflanzen eingepflanzt (je Feld zwei Pflanzenarten), die zur jeweiligen Jahreszeit blühen:

Kriechender Günsel (Ajuga reptans), Echte Schlüsselblume (Primula veris), Wiesen-Salbei (Salvia pratensis), Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), Gewöhnlicher Natternkopf (chium vulgare), Knäuel-Glockenblume (Campanula glomerata), Wegwarte (Cichorium intybus), Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium), Purpurroter Fingerhut (Digitalis purpurea)