Altweibersommer  (© Schütz Mediendesign/Pixabay)

Zwischen Mitte September und Mitte Oktober stellt sich über Mitteleuropa häufig ein beständiges Hochdruckgebiet mit kühlen, klaren Nächten (Taubildung!) und warmen, fast windstillen Tagen ein: Der Herbst zeigt sich von seiner Schokoladenseite – Altweibersommer eben.

Woher kommt diese Bezeichnung und was hat sie mit alten Weibern zu tun? – Nicht viel?

Der Name „Altweibersommer“ leitet sich vom altdeutschen Wort weiben ab, was sich hin- und her bewegen, auch flattern, schwanken bedeutet. So wird beim Weben von Stoffen das Schiffchen im Webstuhl durch die Kettfäden hin und her bewegt. Viele Jungspinnen verlassen im Juni/Juli den von der Spinnenmutter hergestellten Kokon, in den sie ihre Eier ablegte. Im Herbst sind sie groß und kräftig genug, um gut sichtbare Spinnennetze zu weben, die frühmorgens mit Tau benetzt im Altweibersommer in der Sonne glitzern und uns ins Auge fallen.

Mancherorts sichten Spaziergänger*innen in dieser Zeit ein weiteres Naturschauspiel: Winzige, frisch geschlüpfte Jungspinnen segeln an Spinnenfäden hängend durch die Luft. Sie lassen sich von warmer, aufsteigender Luft forttragen und landen mit sinkenden Abendtemperaturen in einem neuen Revier. Diese Strategie, neue Lebensräume zu erschließen, wird Luftschiffen (engl. Ballooning) genannt. Und hier kommt die Erklärung ins Spiel, dass diese Spinnenfäden an die weißen Haare „alter Weiber“ erinnern ...

 (Bruno/pixabay)

Spinnennetze dienen dem Beutefang

Die feinen Fäden eines Spinnennetzes sind so klebrig, dass ein Insekt, welches sich darin verfängt, nur selten entkommt. Habt ihr euch schon mal gefragt, warum die Spinne sich nicht in ihrem eigenen Netz verfängt?

Hier hat die Evolution gleichermaßen in die Trickkisten von Biologie, Chemie und Physik gegriffen: Spinnen besitzen mehrere Spinndrüsen, mit denen sie unterschiedliche Spinnfäden erzeugen können. Vom Zentrum eines Spinnennetzes ausgehende radiale Strukturfäden werden im Gegensatz zu den Querfäden nicht mit Klebetröpfchen versehen. Diese nichtklebenden Fäden nutzt die Spinne bevorzugt, um sich in ihrem Netz „auf Zehenspitzen“ zu bewegen. Doch auch der vorsichtigsten Spinne kann es passieren, dass sie danebentritt. In diesem Fall schützen Spinnen kleine, mit einer speziellen Substanz beschichtete Härchen an den Beinen vor dem Festkleben. Zum Beweis reinigten Forscher die Beine einer Spinne mit chemischen Mitteln und schickten sie zurück ins Spinnennetz: Ohne Antihaftbeschichtung erging es ihr nicht besser als ihren Beutetieren.

Mit dem Herbst kommen die Spinnen ins Haus

Wenn der Sommer zu Ende geht und die Temperaturen, besonders nachts, kühler werden, zieht es viele Spinnen, zum Beispiel die Winkelspinnen oder Zitterspinnen an einen warmen, trockenen Platz, in einer Zimmerecke, hinter einen Schrank oder Vorhang. Dort versuchen sie, den Winter zu überstehen. Da Spinnen nützliche Tiere sind, die uns manch anderen ungern gesehenen Gast vom Leibe halten, immer nur die Reste der Spinnenmahlzeit entfernen, die meist auf dem Boden liegt, nicht die Spinne selbst.

So befördert ihr eine Spinne wieder nach draußen

Wer keine Spinnen im Haus haben möchte, kann sie ganz einfach nach draußen befördern: Dazu braucht ihr nur ein ausreichend großes Trinkglas und eine Postkarte: Das Glas über die Spinne stellen, sodass sie nicht mehr weg kann. Dann die Postkarte vorsichtig unter das Glas und unter die Spinne schieben. So kann die Spinne – aber auch manches andere Tierchen – problemlos festgesetzt und anschließend hinaus befördert werden. Fliegen lassen sich zugegebenermaßen nur schwierig mit dem Glas einfangen, aber bei Käfern, Wanzen und Schmetterlingen funktioniert das prima. Bei Schmetterlingen vorsichtig hantieren, damit die Flügel nicht verletzt werden.

Spinnen überwintern auf ganz unterschiedliche Weise

Einige Spinnen, wie z. B. Winkel- oder Zitterspinnen suchen einen warmen, sicheren Platz in Gebäuden auf. Diejenigen, die in Schuppen oder Garagen ihr Winterquartier nehmen, haben dabei eine bessere Wahl getroffen als die Spinnen, die in unsere Wohnungen kommen. Die trockene Heizungsluft unserer Wohnungen bekommt ihnen nämlich nicht besonders gut. Sofern sie nicht mehr kräftig genug sind, sich ein alternatives Quartier zu suchen, überleben sie den Winter in unseren Wohnungen kaum.
Bessere Überlebenschancen haben diejenigen Spinnen, die sich im Laufe der Evolution an kalte Winter angepasst haben. Sie verstecken sich unter gefallenem Laub oder ziehen sich in den Boden zurück, wo mit sinkenden Temperaturen in eine Kältestarre fallen. So überstehen sie Temperaturen bis minus 20 Grad. Gleichzeitig bewahrt dieses Verhalten die Spinnen vor dem Austrocknen.

Doch nicht alle Spinnen überleben den Winter: Kreuzspinnen sind mit mehreren hundert Arten eine der artenreichsten Gattungen der Familie der Echten Radnetzspinnen. Die Paarungszeit der bei uns weit verbreiteten Gartenkreuzspinne liegt zwischen August und September. Zwischen September und Oktober spinnt die weibliche Gartenkreuzspinne dann einen stabilen Kokon, in den sie ihre Eier ablegt. Der Kokon wird fest verschlossen und schützt das Gelege vor Fressfeinden und anderen Umwelteinflüssen wie Nässe und Kälte. Danach ist der Entwicklungszyklus der Gartenkreuzspinne beendet – das Spinnenweibchen stirbt.

Die Jungspinnen schlüpfen im folgenden Frühjahr und wachsen über den Sommer zu ihrer normalen Größe heran. Nach einer Überwinterung sind sie im zweiten Lebensjahr geschlechtsreif. Mit der Paarung schließen sie den zweijährigen Entwicklungszyklus ab, wie schon ihre Eltern vor ihnen.
Und es gibt sogar Spinnen, die selbst noch im Winter aktiv sind: eine Unterfamilie der Baldachinspinnen. Die sich in Bodennähe im Wiesengras oder in der Strauchschicht befindenden Netze der Baldachinspinnen haben wir alle schon mal im Morgentau glitzern sehen.

Spinnen: Doping für’s Gehirn – für kleine Blaumeisen

Im Frühjahr werden die Spinnen von Blaumeisen wieder dringend gebraucht. So haben Forscher*innen der Universität Glasgow beobachtet, dass Blaumeisen ihre Küken ab deren fünften Lebenstag verstärkt mit Spinnen füttern, obwohl Raupen – die sonst präferierte Nestlingskost – reichlicher vorhanden waren und auch mehr Biomasse enthalten als die verfütterten Spinnen. Spinnen enthalten jedoch größere Mengen an Taurin, eine Aminosäure, die Entwicklung und Funktion des Gehirns positiv beeinflusst. Diesen Zusammenhang konnten die Forscher*innen in einem Volierenversuch nachweisen, indem sie eine Gruppe Nestlinge mit zusätzlichem Taurin versorgten, eine Vergleichsgruppe erhielt nur das Taurin der von den Eltern verfütterten Spinnen.
Die mit zusätzlichem Taurin gefütterten Nestlinge waren durchweg mutiger und unternehmungslustiger bei der Erkundung einer fremden Umgebung. Und sie lernten schneller, wenn ihnen die Forscher*innen neue Aufgaben bei der Futtersuche stellten.